Was würde Ansel Adams heute tun?

Diese Frage beschäftigte mich in den letzten Wochen. Anlass war ein Webinar zum „Zonensystem in der digitalen Fotografie“, für das ich mich angemeldet hatte. Doch was hier zu hören war und auch weitere Recherchen zu diesem Thema brachten wenig Erfreuliches zutage. Schnell wurde klar, dass die Autoren das Zonensystem nach Ansel Adams offensichtlich nie selbst angewendet hatten. Ich hingegen habe es jahrelang praktiziert, viele Großformatbilder im 8×10″-Format belichtet, entwickelt und Abzüge hergestellt. Auch in der digitalen Fotografie habe ich einige Jahre Erfahrung und glaube daher, dass ich einen Versuch wagen kann, die Möglichkeiten des analogen Zonensystems in die digitale Welt zu übertragen. Dabei zeigt sich, dass beide Welten grundverschieden sind und entsprechend unterschiedlich betrachtet werden müssen. Dennoch enthält das analoge Zonensystem von Ansel Adams bereits Elemente, die auch in der digitalen Fotografie entscheidend sind.

Für meine Fotofreunde im Seniorennetz Erlangen habe ich einen Kurs vorbereitet und gehalten. Aus dem Feedback habe ich mein Skript ergänzt und ein YouTube-Video auf meinem Kanal veröffentlicht. Das Skript kann für einen geringen Betrag von meiner Downloadseite heruntergeladen werden (für meine Kursteilnehmer kostenlos).

Neben dem ausführlichen Skript, gibt es inzwischen auch eine kurze Zusammenfassung (im Download enthalten); dazu wird es demnächst auch noch ein kurzes YouTube-Video geben.

Zusammenfassung meiner Ãœberlegungen

Analoger Film

Ansel Adams prägte eine Ära mit seinen Bildern, die auf seinem Zonensystem basierten. Das Zonensystem besteht aus einem Graukeil mit 11 Zonen von 0 bis X. Zone Null repräsentiert reines Schwarz, Zone X reines Weiß. Der Referenzpunkt ist Zone V mit einem Grauwert von 18 % Reflexion. Die Zonen I bis IX liegen jeweils eine Blendenstufe voneinander entfernt.

Adams entwickelte sein Zonensystem, um Negative so zu belichten und zu entwickeln, dass sie jeden Motivkontrast auf Papier mit normaler Gradation wiedergeben. Viele Fotografen folgten seinem Beispiel.

Auch ich erlernte diese Technik durch Workshops bei Peter Gasser und Bob Werling, die mit Adams zusammenarbeiteten. Jeder Fotograf muss eigene Testreihen für einen Film durchführen, um die Belichtung zu optimieren. Adams beschreibt Zone I als „Near black, no detail. Effective threshold. First step above complete black in the print. Slight tonality, but no texture.“

Mein persönliches Zonensystem zeigt wichtige Grenzwerte für den Filmtest. Der Negativfilm reagiert nicht linear, daher ist es entscheidend, das Material gut zu kennen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Es gibt nur eine korrekte Belichtung und Entwicklung für jede Lichtsituation, um einen Print mit allen Tonwerten zu erstellen.

Digitales Zonensystem

Zu Beginn meiner digitalen Fotografie war mir das analoge Zonensystem vertrauter als der digitale Sensor. Die Software „RawDigger“ half mir, ein korrektes Histogramm meiner Dateien zu erhalten. Besonders die Messung der Lichter am rechten Rand war entscheidend.

Es wurde mir klar, dass der digitale Sensor so belichtet werden muss, dass die wichtigen Lichter nicht überbelichtet werden. Der mittlere Grauwert wird heute anders definiert als im analogen System. Der Graupunkt liegt bei 12,5 %, das sind 3 Lichtwerte unterhalb des Sättigungspunkts.

Der Sensor muss korrekt bis zum rechten Rand belichtet werden (ETTR), um den gesamten Tonwertumfang einzufangen. Das Raw-Histogramm ist hierbei entscheidend. Die Anwendung des Zonensystems auf die digitale Welt erfordert ein Umdenken von der analogen Denkweise. Nicht die dunklen Tonwerte sind entscheident, sondern die hellen Tonwerte am rechten Rand.

Fazit

Ansel Adams würde heute das digitale Zonensystem nutzen, um die Lichter optimal zu belichten. Die Qualität des finalen Prints steht im Fokus. Es ist wichtig, das Bild korrekt bis zum rechten Rand (ETTR) zu belichten. Am linken Rand (dunkle Tonwerte) hängt es vom Dynamikbereich des Sensors ab, ob die gewünschten Tonwerte in ausreichendem Maß vorhanden sind. Hier kann der Fotograf leider nichts mehr selbst festlegen, wie es im analogen Zonensystem der Fall war. Diese ergeben sich von selbst und sind nur über die Belichtung am rechten Rand beeinflussbar. Je weiter nach rechts belichtet wird, desto weiter rücken auch die dunklen Zonen nach rechts. Das Verständnis des Zonensystems kann Fotografen dabei helfen, ihre Belichtung zu verbessern. „Gut Licht“ für alle Fotografen auf ihrem Weg zur perfekten Belichtung.

Wilhelm

 

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